Der Lorendamm zeigt den Weg nach Nordstrandischmoor

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Wattwanderung Nordstrandischmoor - Copyright Martina Peskova

Die Sonne hat den Nebel aufgelöst, letzte Wolken segeln mit dem Sommerwind über die Nordsee nach Westen. Dort liegt die Hallig Nordstrandischmoor, fünf Gehöfte auf vier Warften, geduckt unter dem hohen Horizont Nordfrieslands. Ein interessantes, außergewöhnliches Ziel! Die Halligen sind etwas Einzigartiges und im Juli und August zur Blüte des Halligflieders ein Naturspektakel ersten Ranges – dann leuchtet die Hallig violett.

„Man kann entweder mit den Ausflugsschiffen von Nordstrand oder Pellworm auf die Hallig reisen – oder man geht durchs Watt“, sagt Nationalpark-Führerin Ruth Hartwig-Kruse. Sie führt eine Gruppe vom Beltringharder Koog westlich von Bredstedt hinaus und hinüber zur Hallig. „Mit der Lorenbahn dürfen nur Übernachtungsgäste fahren“, dämpft sie die Hoffnung der Faulen. Denn: „Der erste Teil des Watt besteht aus Schlick.“ Das ist – zugegeben – ein beschwerliches Stück Arbeit, auf fünfhundert Metern sinkt man manchmal bis zu den Knien ein.

Doch die Tour in Sichtweite des Lorendammes lohnt sich nicht nur allein wegen des Besuches von Nordstrandischmoor. Das Schlimmste wird schnell überwunden sein, aus Schlickwatt wird bald Sandwatt werden, fester Boden. „Also los“, sagt Ruth, „wir gehen in einem nördlichen Bogen auf die Hallig zu.“ Ruth Hartwig-Kruse stellt auf der Tour auch die „Small Five“ vor, die kleinen Stars vom Meeresboden. „Wattwurm, Herzmuschel, Strandkrabbe, Wattschnecke und Nordseegarnele sind die bedeutendsten und typischen Lebewesen hier im Watt“, sagt Ruth, „sie sind an den ewigen Rhythmus von Trockenfallen und Überfluten ebenso angepasst wie an Hitze und Kälte.“ Und das auf großer Bühne: Das verbliebene Wasser glitzert unter der Sonne wie geschmolzenes Silber, dazwischen endloser Meeresboden, ganz hinten die Hallig, ein paar Möwen schreien sehnsuchtsvoll – und eine Treppe führt hinunter ins große, weite Nichts. Wirklich nichts?

„Was auf den ersten Blick aussieht wie öder Matsch, ist nach dem tropischen Regenwald der produktivste Lebensraum auf der Erde“, erklärt Ruth, „schauen Sie hier; die kleinen, schwarzen Punkte – das sind Wattschnecken. Die grasen die Kieselalgen ab, die auf dem Wattboden wachsen. Und von den Wattschnecken wiederum ernähren sich Vögel und Fische.“ Den knietiefen Schlick haben die Wattwanderer längst vergessen; stapfen mit schmatzendem Schritt nach Westen. Und warten auf das, was Ruth wieder ausgräbt.

Der Weg folgt rot-weißen Stöcken, die in den Wattboden gerammt sind. „Das sind Pricken“, erklärt die Wattführerin, „sie markieren den sicheren Weg nach Nordstrandischmoor und zurück aufs Festland.“ Trotzdem sollte man sich besser einer Führung anschließen. Die größte Gefahr bei einer solchen Wanderung ist Nebel und damit verbundene Orientierungslosigkeit – auch heute Morgen zog plötzlich Nebel auf und binnen Minuten versankt die Welt in feuchter Finsternis. Jetzt brennt die Sonne von einem wolkenlosen Himmel und links ist als schmaler schwarzer Strich der Lorendamm zu erkennen, darauf rumpelt ein seltsames Gefährt Marke Eigenbau mit einem Anhänger. „Mit diesen Schmalspurbahnen transportieren wir Halligbewohner“, Ruth Hartwig -Kruse stammt von und lebt auf Nordstrandischmoor, „alles was wir dort brauchen: Lebensmittel und Traktoren zum Beispiel, Heizöl und Post. Aufs Festland fahren unsere Schafe, dazu aller Abfall und Abwasser.“ Als der Lorendamm vor einigen Jahren erhöht wurde – und seitdem auch bei Hochwasser befahrbar ist -, begann die Verschlickung der ersten Etappe. Die Flut hat nicht mehr genügend Kraft, diese feinen Sedimente abzuräumen.

Trotzdem weiter, denn es ist spannend und anders kommen wir heute eh nicht hin. Aber das Stapfen im Schlick ist bald vorbei, nach Überquerung eines Priels wird der Untergrund zunehmend fester. „Wir laufen nun auf Sandwatt.“ sagt die Wattführerin und gräbt mit der Forke einen Placken Wattboden aus, Ruth sucht den Wattwurm. „Der Wattwurm frisst Sand und ernährt sich von den Kleinstlebewesen, die darin leben.“ Die „Sandspaghetti“, die er ausscheidet, sind also biologisch gereinigter Sand. „Und die weißen Muschelschalen stammen von der Herzmuschel. Sie können Hell und Dunkel unterscheiden“, erklärt die Wattführerin. Nachdem wir sie ausgegraben haben und vorsichtig in eine Pfütze legen, gräbt sie sich wieder ein.

Die Gruppe erreicht eine Pricke, an der die Gelb-Rot-Blaue Friesenflagge weht. „Lieber tot als Sklave“ steht darauf stolz geschrieben. Ruth erzählt ein wenig Geschichte. „Als die zweite Manndränke 1634 die alte Insel Strand endgültig zerschlug, blieben neben den Inseln Nordstrand und Pellworm nur die beiden Halligen Südfall und Nordstrandischmoor übrig.“ Zwei Pensionen bieten auf Nordstrandischmoor eine Hand voll Gästebetten an. Und eine gemütliche Gaststube wartet nachher auf die Gäste. Ansonsten: Ganz weit weg vom Rest der Welt. Und trotzdem mit dem Lorendamm innerhalb zwanzig Minuten damit verbunden. Nun rumpelt ein Miniaturzug in die andere Richtung. „Jede Familie und die Schule hat eigene Loren“, sagt Ruth, „und auf halber Strecke ist eine Ausweichstelle.“

Auch die Gruppe hat halbe Strecke. Wieder lenkt Ruth den Blick nach unten. „Diese leere Hülle stammt von der Strandkrabbe. Wenn ihr der Panzer während des Wachstums zu eng wird, wirft sie ihn ab und bildet innerhalb weniger Tage einen neuen.“ Erneut wird ein Priel gequert, sie drückt einigen Teilnehmern einen Kescher in die Hand. „Versucht euer Glück!“ Noch eilt das Wasser der Nordsee hinterher, doch im ewigen Rhythmus der Gezeiten wird sich das Meer bald umdrehen und alles wieder tiefer ertränken, als der größte Mann groß ist. Der Junge hat was gefangen: „Die Nordseegarnele gehört auch zu den Small Five – wir kennen sie als Krabbe. Sie schmeckt nicht nur uns Menschen auf dem Brötchen, sondern sie ist wichtige Nahrungsgrundlage von Jungfischen – das Watt wird nicht umsonst die Kinderstube der Nordsee genannt.“

Nun ist die Hallig plötzlich nahe gerückt, vorn leuchtet eine helle Sandbank im dunklen Watt, dahinter ist das grüne Vorland zu erkennen – und darüber die Häuser wie an einer Perlenkette aufgereiht. Doch die Perspektive täuscht, noch ist es ein gutes Stück Weg dorthin. Wir kommen auf der Sandbank zügig voran. Dann stehen wir vor dem letzten Priel, links sind vor dem Lorendamm Holzpfosten mit Flechtwerk zu erkennen. „Diese Lahnungsfelder beruhigen das Hochwasser, damit sich die Sedimente absetzen können – allmählich bildet sich so neues Land und schützt unsere Hallig vor den Angriffen der Nordsee bei Sturmflut“, erklärt Ruth. Vor uns erstreckt sich plötzlich ein See, den die Strömung ausgekolkt hat. Ob man da nicht Baden kann?

Doch für Wattwanderer ist die Zeit begrenzt. Der ganze Weg muss zurückgelaufen werden. Die Lorenbahn bleibt für normale Besucher tabu (es sei denn, man hat ein Zimmer auf der Hallig gebucht). Alle anderen müssen die Uhr im Auge behalten, denn das Meer wartet nicht. Inzwischen haben wir die ersten Holzpfostenreihen erreicht und klettern vorsichtig herüber. Schon laufen wir über vom Meer abgerungenem Gebiet. Nicht mehr See, noch nicht Land – eine merkwürdige, amphibische Zwischenwelt. Abgegrenzt in saubere Quadrate, doch des Menschen Eigentum noch lange nicht. „Geht langsam – auf dem Boden sind Kieselalgen. Zusammen mit der Feuchtigkeit ist das wie Glatteis!“

Der nasse Boden glitzert in der Sonne, die Menschen darauf scharf wie ein Scherenschnitt vor dem gleißenden Licht. Langsam erreichen wir festen Boden; es ist ein unscharfer Übergang. Nach der letzten Buhne stehen wir auf einem staubtrockenen, sandigen Trampelpfad. Strandnelken wippen im Sommerwind, Austernfischer steigen empört auf. Bald erreichen wir den rostigen Schienenstrang der Lorenbahn und laufen an der Eisenbahn entlang zum kleinen Hallig-Bahnhof. Eine schöne und stille Welt ist diese Hallig. Ein Außenposten. Weit draußen und in einer Welt, die nicht mehr Land ist und noch nicht Meer. Ein Ort zum Innehalten und Durchatmen. Um sie zu begreifen, muss man zu Fuß hin. Der Nordsee haben sie dieses kleine Eiland abgerungen, gewonnen noch lange nicht.

Mehr Informationen zur Wattwanderung nach Nordstrandischmoor und dem Reisen auf die Hallig unter www.nordstrandischmoor.de. Weitere Naturerlebnisse und Wattwanderungen unter www.nordseetourismus.de

Pressekontakt: Nordsee-Tourismus-Service GmbH
Malte Keller, Zingel 5, 25813 Husum
Tel.: 04841/8975-11
E-Mail: presse@nordseetourismus.de    
Internet: www.nordseetourismus.de

Bild: Wattwanderung Nordstrandischmoor (c) Martina Peskova

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